In einem anonymen Online-Kommentar zu dem MOZ-Beitrag »Klares Nein zum Abriß-Stopp« heißt es,
die Stadt brauche bezahlbare Wohnungen, »die aber den heutigen Standards angeglichen werden müssen« .
Es ist richtig, viele Menschen in unserer Stadt sind auf solche für sie bezahlbaren Wohnungen angewiesen.
Die Wohnungen, die in der Potsdamer Alle 45 bis 59 nach dem Willen der WHG abgerissen werden sollen, haben
hinsichtlich ihres Komforts durchaus »den heutigen Standard« . Allerdings haperte es in den letzten
20 Jahren ein bißchen mit der Instandhaltung, so daß die betroffenen Wohnblocks zumindest teilweise, wie
die Eberswalder Baudezernentin Anne Fellner sagt, in »einem miserablen Zustand« sind.
Allerdings sind, wie WHG-Geschäftsführer Adam mitteilte, erst vor einigen Jahren mehr als 460.000 Euro in
die Erneuerung der Elektro- und Wasserleitungen in den beiden Blöcken gesteckt worden. In ihrer Geschäftspolitik
setzt die WHG mindestens seit den späten 90er Jahren den Schwerpunkt auf die Sanierung der Altbausubstanz in
Alt-Eberswalde und bedient dabei eher das hochpreisige Mietsegment.
Ob diejenigen, die mutwillig vorhandene Wertsubstanz an Wohnungen (mittels Fördermittel) zerstören, damit
sie an anderer Stelle (mit Fördermitteln) neue Wohnungen bauen können, Weitblick besitzen, wie der Anonymos
vermutet, will ich zumindest bezweifeln. Da spielt vielleicht eher der Nahblick aufs schnelle (eigene) Geld
eine Rolle. Ein Umbau der Plattenbauten wie in Schwedt, darauf verweist der Anonymos, scheiterte bei uns in
Eberswalde übrigens daran, das DAFÜR keine Fördermittel zur Verfügung standen.
|
Die Wohnungsgenossenschaft bekam für ihr Umbau-Projekt in der Lübbenauer Straße, wo barrierefreie Wohnungen
zu sozialverträglichen Mieten entstehen sollten, keine ILB-Förderung. Zur gleichen Zeit faßte die WHG
ILB-Fördermittel für ihre »Michaelisgärten« ab, wo alles andere als Sozialwohnungen entstehen (BBP 3/2014).
»Leerstand kostet Geld«, heißt es in dem anonymen Online-Kommentar, »und aus betriebswirtschaftlichen
Gründen wird gerade im Brandenburgischen Viertel zurückgebaut«.
Da sind zwei Aussagen miteinander verknüpft, die eigentlich nicht wirklich etwas miteinander zu tun haben.
Sicherlich liegt auf der Hand, daß eine Wohnung – ob bewohnt oder leer – ein gewisses Maß an Grundkosten
verursacht. Die fixen Betriebskosten kann man durch verschiedene Maßnahmen – die Wohnungsgenossenschaft
praktiziert da neuerdings einiges – einschränken. Die kreditfinanzierten Baukosten – bei unsanierten
Plattenbauten sind das im wesentlichen die sogenannten »Altschulden« – lassen sich hingegen kaum
minimieren. Diese Kosten bleiben auch, wenn die Wohnung abgerissen wird. Und dann ohne Chance, jemals
wieder durch eine Vermietung dieser Wohnung bedient zu werden.
Die Zeiten, daß bei Abriß auch die »Altschulden« vom Staat übernommen wurden, sind längst vorbei.
Sofern für die Wohnblocks in der Potsdamer Allee 45 bis 59 noch Verbindlichkeiten in den Büchern der WHG
stehen, werden diese dort auch nach einem Abriß zu finden sein. Von den Leerstandskosten kann die WHG
die fixen Betriebskosten einsparen. Die Finanzierungskosten hingegen müssen von der WHG weiterhin
bedient werden.
|
Wie hoch die Leerstandskosten tatsächlich sind und welcher Anteil davon Finanzierungskosten sind, bleibt
freilich das Geschäftsgeheimnis der WHG, die ja die ganze Zeit nicht einmal sagen wollte, welche Wohnblöcke
konkret auf ihrer Abrißliste stehen.
Dazu, warum »aus betriebswirtschaftlichen Gründen gerade
im Brandenburgischen Viertel zurückgebaut« werden soll, fehlt jede Aussage. Leerstand, der Geld kostet,
gibt es auch in anderen Stadtteilen. In Stadtmitte, wie man hört, sogar mehr als im Brandenburgischen Viertel.
Möglicherweise hat es mit der oben erwähnten Geschäftspolitik der WHG zu tun, daß sie »gerade«
im Brandenburgischen Viertel abreißen will.
Andere Wohnungsgesellschaften, die zum Teil in Eberswalde nur im Brandenburgischen Viertel als Wohnungseigentümer
aktiv sind, weigern sich, ihr Eigentum an Wohnungen der Abrißbirne preiszugeben. Entgegen den gängigen
Demographieparolen schafften die es sogar, den Leerstand in ihrem Wohnungsbestand auf rund 5 Prozent
zu drücken. Dabei steht in deren Gesellschaftervertrag ganz gewiß nichts von sozialverträglichem Wohnen
als Ziel. Nimmt man diese Fakten, dann gibt es offenbar überhaupt gar keinen betriebswirtschaftlichen
Grund, Wohnungen »gerade« im Brandenburgischen Viertel abzureißen. Da stellt sich die Frage,
warum dem Bürgermeister soviel daran liegt, nicht »wochenlang darüber zu diskutieren, ob zwei Wohnblöcke
abgerissen werden sollen oder nicht«.
Gerd Markmann – 7. März 2015
|