Kiezmagazin für das Brandenburgische Viertel
in Eberswalde
Kontakt zur ...

Archive: gedruckte Ausgaben

Online-Artikelarchiv

Notiert

Donnerstag, 25. April, 19 Uhr: SHARED READING mit Carsten Sommerfeldt. Stammgäste dieses besonderen Lesekreises haben sicher schon Entzugserscheinungen. Alte wie neue Gäste sind herzlich willkommen! Mehr zum Ansatz von SHARED READING hier.


Frühlingsboten. Oder Rückeroberung der Beton- und Steinlandschaften.

Livestream der aktuellen Stadtverordnetenversammlung.


Mißbraucht der Fotograf dieses Foto von der Museumsinsel, oder ist es eine Form künstlerischer Freiheit?

Philosophie der Freiheit:
Ausländer mißbrauchen unser Sozialsystem?

Verzeihen Sie, lieber Leser, die provokante Fragestellung. Ist es wirklich so, daß Asylbewerber und Migranten die einzigen in Deutschland sind, die (manchmal) etwas mißbrauchen? Oder ist es nicht viel mehr so, daß alle deutschen Bürger, ob links oder rechts, ob arm oder reich, ob schwul oder hetero, mehr oder weniger Mißbrauch in bestimmten Lebensbereichen betreiben?

Wie sieht es zum Beispiel mit der Steuererklärung aus? Geht da wirklich alles mit rechten Dingen zu? Da mißbraucht der kleine Mann kleine Belege, und die große Firma mißbraucht große Belege. Und Weltkonzerne verlegen ihren Sitz gleich in eine Steueroase, um überhaupt keine Steuern zu zahlen. Wenn das kein Mißbrauch ist ...

Wir zeigen mit dem Finger auf Habenichtse, die von Stütze leben, dabei leben wir gut abgesichert in einem Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes, mit automatischer Gehaltssteigerung, können fleißig das Eigenheim abbezahlen und haben keinerlei Gewissenbisse dabei, daß wir eigentlich schon ab 9 Uhr ständig auf die Uhr schauen, wann denn endlich Feierabend ist.

Auch Beamte lassen sich sich mißbrauchen: mit dem Verzicht auf Streikrecht, mit unbedingter Mobilität, mit dem Kampf gegen die Langeweile des Dienstes und mit der Annahme des dreizehnten Monatsgehaltes, einer ganz klaren Form staatlicher Bestechung, wovon Hartz-IV-Empfänger nur träumen können. Doch wo wären wir ohne die Beamten? Dann hätten wir wieder eine Oberschicht mit Parteiabzeichen ...

Den Mißbrauch sieht man jederzeit in jeder Stadt. Wenn Personen, die kaum größer als 1,70 sind, mit einem tonnenschweren Special Urban Vehicle (SUV) über die Straßen donnern, und das nur, um den Unannehmlichkeiten des Öffentlichen Nahverkehrs zu entgehen, ist das ein Mißbrauch der Ressourcen dieses Planeten und der Möglichkeiten seiner Klimaregulierung, der einen sprachlos macht. Im Prinzip mißbrauchen diese Menschen sich selber und das Leben und die Zukunft ihrer Kinder.

Über Mißbrauch wird gar nicht nachgedacht. In der Kindererziehung zum Beispiel, gibt es viele Grauzonen, die in den Mißbrauch von Seelen führen. Wenn die Eltern sich ständig streiten, wenn ein Kind als Ersatzpartner mißbraucht wird, wenn ein Kind Aufgaben übernehmen muß, die es überfordern. Oder wenn nur mit Strafen und Vorwürfen erzogen wird. Der Mißbrauch macht die Kinder dann krank!

Oder nehmen wir unsere Demokratie: Ist es nicht ein Mißbrauch, wenn wir nur alle vier Jahre einen Stimmzettel ausfüllen können, ansonsten aber nicht viel zu melden haben? Wo ist die echte Bürgerbeteiligung? Und wenn dann mal ein Bürgerbegehren gestartet wird, reden die Politiker nur von Mißbrauch, und setzen die Hürden unüberwindbar hoch. Wer mißbraucht da was?

Auch in der Freizeit wird kräftig mißbraucht. Daß Spitzensportler ihren Körper mißbrauchen, ist ein offenes Geheimnis; aber auch Freizeit-Kicker mißbrauchen ihre Knochen, ihre Sehnen und Gelenke, um im Wettkampf - und sei es jenseits der 50 - mithalten zu können. Das führt unweigerlich in die mißbräuchliche Inanspruchnahme der Leistungen des Gesundheitssystems, das ohne die vielen Sportverletzungen nur halb so viel zu tun hätte.

Hier sei die Frage gestattet: Mißbrauchen auch Rentner unser Sozialsystem? Die jetzige Goldene Generation mit gut gefülltem Rentenkonto leistet sich Welt- und Auslandsreisen, ein neues Eigenheim oder Luxus-Appartments für Senioren, und das von den Rentenbeiträgen der jüngeren Generation, die in ferner Zukunft sich so etwas nicht mehr leisten wird können. Ist das ein Mißbrauch der Generationen-Solidarität? In traditionellen Gesellschaften wurden die Älteren von den Kindern versorgt. Es gab zwar keine Rente, aber dafür musste auch kein aufwändiges Pflegesystem installiert werden.

Heute müssen sich die Kinder in Erzielung des Profits ihres zwielichtigen Arbeitgebers mißbrauchen lassen und haben keine Zeit mehr für die Familie, weder für die Kleinen, noch für Oma und Opa. Das Leben, das doch eigentlich ein Fest sein soll, wird buchhalterisch zerhackt in Stunden und Minuten, in denen man funktionieren muss, oder man wird aussortiert wie ein fauler Apfel und wird auf den Müllhaufen der Gesellschaft geworfen, wo man nur von Hartz-IV lebt und sich schließlich des Elends des Mißbrauchs von Lunge und Leber ergibt.

Soviel Mißbrauch gibt es in unserem Land! Und doch leben wir in einer freien Gesellschaft. Nur eine Diktatur wird es je schaffen, Mißbrauch einzuschränken - doch Diktaturen hatten wir eigentlich schon genug, nicht wahr? Bevor wir mit dem Finger auf andere zeigen, sollten wir genau überlegen: "Wen oder was mißbrauche ich eigentlich?"

Jürgen Gramzow - 10. August 2018




Die zwölf neuesten Artikel im Direktzugriff:

03.04.2024 - Stellenanzeige Laboranten (m/w/d) LWU Lebensmittel-, Wasser- und Umwelthygiene GmbH zum Artikel ...
31.03.2024 - Galerie Fenster im April zum Artikel ...
30.03.2024 - Galerie-Rückblick zum Artikel ...
23.03.2024 - »Ostermärchen«? zum Artikel ...
23.03.2024 - Fassadengrün zum Artikel ...
20.03.2024 - Frühjahrsputz im Kiez zum Artikel ...
16.03.2024 - Boxen und Turnen zum Artikel ...
14.03.2024 - Helle Stunde 2024 zum Artikel ...
14.03.2024 - »Wir verändern das System« zum Artikel ...
09.03.2024 - Brutale Abschiebeversuche in Eberswalde zum Artikel ...
07.03.2024 - Die doppelte Kiez-Promenade zum Artikel ...
21.02.2024 - Wachsen bedeutet Veränderung zum Artikel ...


Archiv der MAXE-Druckausgaben

Alle Druckausgaben von MAXE, dem Kiezmagazin für das Brandenburgische Viertel, die 2012 bis 2014 im Kiez verteilt wurden, sind im Archiv als PDF abrufbar.

Hier geht's zum Archiv: MAXE gedruckt


Eberswalde © 2015-2020 AG MAXE
Impressum

Besucher
(seit 16.1.24):
Besucherzähler